ERINNERN HEISST HANDELN, HEUTE UND ALLE TAGE.
Zwei Jahre sind nun vergangen, seit dem antisemitischen und rassistischen Attentat am 9.10.2019 auf die Synagoge in Halle und den nahegelegenen Imbiss Kiez-Döner, bei dem Jana L. und Kevin S. ermordet und in dessen Verlauf weitere Menschen verletzt wurden.
Erinnern wir an sie und die Überlebenden, die nie aufgehört haben zu kämpfen.
Denn Erinnern heißt verändern. Erinnern heißt kämpfen.
Wir erinnern an Jom Kippur, den 9.10.2019, den Versöhnungstag, den höchsten jüdischen Feiertag, an dem Jüdinnen:Juden aus Halle und Berlin in der Synagoge in Halle zusammengekommen waren. Es ist der Tag, an dem sie sich als Betende in der Synagoge im Kreise der Familien und Freund:innen, als Gemeinde versammeln.
Während dieses Gebets, am Mittag des 9.10.2019, versuchte der Täter in die Synagoge in Halle einzudringen und einen Massenmord zu begehen. Er scheiterte. Dass die Menschen in der Synagoge überlebt haben, verdanken sie allein sich selbst! Die Gemeinde hatte ohne staatliche Unterstützung ihr eigenes Sicherheitskonzept umgesetzt.
Sie haben sich allein darum kümmern müssen, sich zu schützen.
Wir erinnern an Ismet T., der, als er seinem Bruder Rifat T. zur Hilfe eilen wollte, mit Schusswaffen angegriffen wurde. Sie mussten für die Zulassung als Nebenkläger und somit für die Anerkennung als Opfer Widerspruch einlegen.
Wir erinnern an Aftax I., der vom Attentäter angefahren wurde. Doch die Generalbundesanwaltschaft sprach in ihrer Anklage im Prozess zunächst nicht von einem rassistischen Mordversuch an einem Schwarzen Menschen, sondern von einem Verkehrsvergehen. Trotz des Kampfes von Aftax I. um die Anerkennung als Mordversuch, verurteilte die Richterin den Attentäter in diesem Punkt nicht mit dieser Begründung. Auch Ismet T. musste erleben, dass der Angriff auf ihn nicht als Mordversuch anerkannt wurde.
Wir erinnern also nicht nur an den Anschlag, sondern auch an den folgenden Prozess in Magdeburg, der geprägt war von strukturellem Rassismus und Antisemitismus und damit besonders schmerzhaft für die Überlebenden war.
Wir erinnern, dass unter den Überlebenden des antisemitischen und rassistischen Attentats unsere Nachbar:innen waren, die in der Gemeinde der Synagoge Fraenkelufer zusammenkommen. Was in Halle geschah, geschah in Berlin. Direkt vor unserer Haustür, unmittelbar verwoben mit unseren eigenen Lebens- und Alltagswelten.
Wir erinnern an das seit 2020 jährlich stattfindende Berliner Festival of Resilience, das von Überlebenden, die in dem Projekt Base Berlin aktiv sind, veranstaltet wird. Das Festival findet während Sukkot, dem jüdischen Laubhüttenfest, statt und ist eine solidarisierende Antwort der Überlebenden auf das Trauma.
Wir mahnen, wie verwundbar unsere gesellschaftliche Pluralität ist, und wie sie aus verschiedenen Richtungen angegriffen wird, denen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit gemein sind. Die Nachrichten von dem mutmaßlich geplanten und vereitelten Anschlag in Hagen am 16.9.2021 zu Jom Kippur machen wieder allzu deutlich, dass jüdisches Leben in Deutschland Tag für Tag bedroht ist.
Wir bilden Allianzen und Koalitionen.
Wir lassen uns nicht spalten und gegeneinander ausspielen. Wir bauen auf Respekt, Liebe, Solidarität und Menschenrechte. Wir geben nicht auf. Wir stehen an der Seite der Überlebenden, an der Seite der Menschen, die täglich gegen Rassismus, Antisemitismus, Faschismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit kämpfen.
Denn „was aus dem Elend jenes Tages erwuchs, ist Solidarität“, wie Naomi H.-G., Überlebende des Attentats und Nebenklägerin feststellte.
Kommt zur Gedenkkundgebung!
Sonntag, 10.Oktober 2021
14-17 Uhr
Admiralbrücke / Planufer
Die Gedenkkundgebung wird von Menschen aus dem Stadtteil mit Unterstützung der Gemeinwesenarbeit des Nachbarschaftshauses Urbanstraße e.V. veranstaltet.
Link zur Veranstaltung: